
Mit dem Gedanken „Ich kann so nicht mehr, ich muss jetzt wieder was machen!“ fing alles an. Hinter Alexander Schwerdt lag da eine lange Phase der Erkrankung und Arbeitslosigkeit.
Direkt nach der Ausbildung zum Tierpfleger trafen den heute 36-Jährigen gesundheitliche Probleme, die den Job unmöglich machten. Für die Arbeit mit Tieren braucht man einen gesunden Rücken, aber: „Ich wusste nicht mehr, ob ich sitzen, stehen oder liegen sollte und war vor Schmerz oft schweißgebadet“ erinnert er sich. Mit der erzwungenen Untätigkeit und unzähligen erfolglosen Bewerbungen kam auch die Depression. Es brauchte mehrere Jahre, bis sich die Erkrankungen halbwegs gebessert hatten.
2023 fasste Alexander Schwerdt wieder neuen Mut. Ihm war klar: „Ich wollte schon immer in die IT“. Doch wie schafft man nach so langer Zeit den Start in einen ganz neuen Job?
Susanne Garbrecht, Integrationsfachkraft im Jobcenter Kiel, weiß das: „Ich wollte, dass er seine Belastungsfähigkeit nach der langen Krankheitsphase erstmal in einem Praktikum oder einen 1-Euro-Job ausprobiert“, sagt sie, „auch wenn Herr Schwerdt das ganz anders sah und viel lieber gleich mit der Umschulung gestartet wäre“.
Aber die Beraterin blieb standfest. Nach mehreren Gesprächen und vertrauensvollem Austausch fängt Alexander Schwerdt mit einem 1-Euro-Job in einem Kieler Servicebüro an. Dort gibt es PC- und Bewerbungshilfe für alle Kieler*innen. Außerdem kann man Geräte spenden, die aufbereitet und an bedürftige Menschen weitergegeben werden.
Alexander Schwerdt fügte sich schnell in das Team ein, das sich um die Spenden kümmert. Als eine große Sachspende von 30 Laptops das Servicebüro erreicht, bereitet Alexander Schwerdt diese mit dem Team auf, damit Schülerinnen und Schüler aus Familien, die sich keinen Rechner leisten können, damit arbeiten können.
„Das war eine super Entscheidung“, sagt der angehende Computerprofi rückblickend und schaut Susanne Garbrecht schmunzelnd an. „Gut, dass Sie damals so streng mit mir waren“.
Nach 3 Monaten war die Arbeitsgelegenheit vorbei, „da hatte Frau Garbrecht schon wieder eine Idee“. Diesmal soll es ein Vorbereitungskurs für die Umschulung zum Fachinformatiker sein. Dabei werden sowohl grundlegende IT-Kenntnisse vermittelt als auch Schulwissen aufgefrischt, welches für die Umschulung benötigt wird. Alexander Schwerdt ist wieder nicht überzeugt: „Was soll ich da, ich kann das doch, meinte ich damals. Aber Frau Garbrecht ließ nicht locker“.
Und auch dieser Schritt stellt sich als richtig heraus: „Im Nachhinein war es gar nicht verkehrt, den Vorkurs zu besuchen. Es ist erschreckend, wovon man noch nie gehört hat, wenn man denkt, man kennt sich aus, oder wie viel man vergisst, wenn man über 10 Jahre nicht mehr die Schulbank gedrückt hat“, meint Alexander Schwerdt.
Dann ist es endlich Zeit für die Umschulung zum Fachinformatiker! Das ist eine verkürzte Ausbildung, in diesem Fall besteht die Qualifizierung aus einer Theoriephase und einer betrieblichen Praxisphase. Bei der Theorie wird man „mit Wissen zugebombt“, findet Alexander Schwerdt, aber er hat Spaß daran.
Den Praxisteil leistet der Umschüler derzeit bei der 3POS GmbH. Das 2012 gegründete Kieler Unternehmen ist spezialisiert auf webbasierte Kassenlösungen, hat hier Pionierarbeit geleistet, Preise gewonnen und expandiert derzeit deutschlandweit und ins Ausland. In diesem kreativen Haus mit ca. 30 Mitarbeitenden ist Alexander Schwerdt genau richtig.
Als der Praxisteil anfing, war das „wie ins kalte Wasser geworfen zu werden“, fand er. „Aber meine Stärke ist, dass ich mich selbst mit Dingen auseinander setzen kann“.
Seine Aufgaben sind zwar vornehmlich der sog. 1st-level-support, also telefonische Anfragen von Anwender*innen des Kassensystems zu lösen. Aber Alexander Schwerdt wäre nicht er, wenn er nicht noch nebenbei einen Automatisierungsprozess entwickelt hätte, um 2.000 Codes umzuwandeln, ein Projekt planerisch begleitet und mal schnell ein internes Firmen-Wikipedia gebaut hätte. „Grad für die Azubis, die müssen sonst 1.000 Seiten Handbuch durchsuchen, wenn sie etwas wissen wollen“.
Sein Teamleiter Christian Behrens findet seinen neuen Mitarbeiter klasse: „Der passt zu uns. Und dann lohnt es sich auch, zu investieren“. Unter seiner Begleitung ist hier auch immer Platz für neue Ideen. Denn Christian Behrens sagt: „Ich weiß selbst, wie es ist, 100 Bewerbungen zu schreiben“, und freut sich immer über Menschen, die eine Chance wollen.
Im Februar 2026 sind die Prüfungen und die Umschulung beendet. Danach steht dem frisch gebackenen Fachinformatiker nichts mehr im Weg.
Susanne Garbrecht ist sehr zufrieden: „Wir schlagen in der Beratung im Jobcenter gemeinsam ein neues Kapitel auf. Gehen müssen die Menschen selbst. Wir stehen jedoch beratend an der Seite“.
Dass dies im Fall von Alexander Schwerdt sehr gut klappt, zeigt seine Geschichte. Was er anderen raten würde? „Es ist anstrengend, aber es geht, wenn man will. Im Jobcenter muss man die Zähne auseinander kriegen, dann klappt das auch.“
